Der Himmel zog langsam zu und unsere letzte Etappe stand vor uns. Die prognostizierte längste und wohl anstrengendste der ganzen Tour. Zudem mussten wir den Zeitplan einhalten, um unser Boot zu erreichen.
Die Etappe sollte uns durch ein Tal zu dem Qingertivaq-Fjord führen. Da einige von uns schon durch die vorherigen Etappen am Ende ihrer Kräfte waren und der Schuh von Andreas in immer kürzer werdenden Abständen repariert werden musste, entschlossen sich sechs von uns ihre Tour vorzeitig zu beenden. Sie wurden durch das Boot, dass unser Gepäck abholen sollte mitgenommen. Die restlichen neun von uns machten sich früher als sonst auf den Weg, um entsprechend Puffer zu haben, da um 16 Uhr das Boot zurück nach Tasiilaq auf uns warten sollte.
Bisher hatten wir wirklich Glück mit dem Wetter. Jeden Tag Sonnenschein nur unterbrochen durch kalte Winde, aber auf dieser Etappe lernten wir auch die grauen und damit rauen Seiten Grönlands kennen. Starten sollte der Tag bedeckt und in Nieselregen und Nebel enden.
Der Weg führte uns durch ein mooriges Gebiet hoch zur Wasserscheide zwischen den Fjords. Das andauernde auf und ab zwischen den grasbedeckten Buckeln kostete einiges an Kraft. Oben angekommen mussten wir wieder Furten. Auch hier war das Wasser kniehoch. Anja rutschte leider während des Furtens aus, landete halb im Wasser und verletzte sich dabei am Finger. Wie sich im Nachhinein herausstellen sollte, war er gebrochen. Auch bei einer weiteren Überquerung eines Baches rutschte Rieke von einem Stein ab, so dass sie fortan mit nassen Schuhen unterwegs war. Wahrlich kein angenehmes Gefühl.
Trotzendem lagen wir recht gut in der Zeit, so dass wir ausgedehnte Pausen einlegen konnten. Der weitere Weg führte uns hinab an den Fjord, den wir jedoch ein gutes Stück entlang wandern mussten, da die Wassertiefe für die Boote gegeben sein musste. Auch hier überquerten wir, diesmal trockenen Fußes, ein paar Bäche. Schließlich kamen wir zwei Stunden früher als die vereinbarte Abholzeit an. Glücklicherweise hatte der Nieselregen zwischenzeitlich aufgehört, so dass wir warm angezogen in einer Felsspalte ausharrten, um uns vor dem Wind zu schützen. Schokolade und den Vorlesekünsten von Katharina sei dank war dies auch kein Problem.
Mit dem Booten dauerte es schließlich noch zwei Stunden bis nach Tasiilaq. Bei der Fahrt konnten wir noch einmal eine etwas andere Szenerie genießen, mit so gut wie keinem Eis im Fjord. In Tasiilaq hatten die restlichen der Reisegruppe netterweise schon unsere Zelte aufgebaut und unser Gepäck ins Camp getragen. Zudem empfingen sie uns mit warmen Essen, dass wir nach den kalten Stunden dringend nötig hatten.
Zurück in Tasiilaq
Unsere zwei verbleibenden Tage in Tasiilaq nutzte ich um mit Dirk und drei weiteren noch eine Tour in das „Tal der Blumen“ hinter Tasiilaq zu unternehmen. Bei strahlenden Sonnenschein noch einmal ein schöne Abschlusstour, die mit einem Bad im Bergsee belohnt wurde. Dirk unterwies uns dort zudem noch kurz in der Handhabung des Gewehrs und wir durften ein paar Testschüsse abgeben.
Am Abend trafen wir uns noch mit Robert Peroni, dem Leiter des Roten Hauses, ein ehemaliger Bergsteiger aus Südtirol, der sich hier in das Land und die Leute verliebte und DIE Touristenorganisation in Ost-Grönland betreibt. Er beantwortete uns noch Fragen rund um die Kultur und das Land, dies bot uns noch einen tieferen Einblick in die Lebensweise der Inuit und die Spannung die durch die westliche Kultur entstanden sind. So wurden die Inuit in Ost-Grönland erst vor 100 Jahren entdeckt und in dieser Zeit von quasi steinzeitlichen Lebensverhältnissen in die Neuzeit katapultiert. Was unter anderem auch den sorglosen Umgang mit dem Müll erklärt. Das Gespräch fand im Roten Haus statt und war das erste mal seit zwei Wochen, dass wir uns wieder in einem Gebäude befanden. Für mich war diese Wärme und Enge zu viel, da ich die Freiheit und Natur in den letzten Tagen wahrlich genossen habe. Ebenso wieder in einem Ort mit so vielen Menschen zu sein war einfach ungewohnt und da ging es nicht nur mir so. Die meisten sehnten sich zurück in die Weite der grönländischen Tundra.
Bevor es mit dem Flugzeug am Montag zurück nach Reykjavik gehen sollte, wollten wir eigentlich am Sonntag noch einen Ausflug auf das Inlandeis unternehmen. Dieser fiel aber im wahrsten Sinne des Wortes ins Wasser und so verbrachten wir den Tag im wesentlich im Zelt beim UNO spielen.
Am Montag bangten wir schon, auf Grund des tief hängenden Nebels, um unseren Rückflug. Da der Flughafen in Kulusuk nur auf Sicht angeflogen werden konnte. So harten wir vier Stunden in dem winzigen Terminal bei weiteren Runden UNO aus und waren sehr erleichtert, als der Flieger schließlich landete. Nach einem Abschlussessen und einer weiteren Nacht auf dem Campingplatz in Reykjavik ging es für uns dann um 3:30 Uhr zum Flughafen für unsere sehr frühen Flüge zurück nach Deutschland.
Und das wars?
Von der Reise im wesentlichen ja, von den Eindrücken und dem Mindset nein! Nach zwei Wochen in der Abgeschiedenheit und mit dem einfachen Leben in der Weite Grönlands war es für mich wirklich schwierig wieder in Deutschland anzukommen. Zu voll, zu laut, zu beschäftigt. Noch immer, Monate nach der Reise, will ich eigentlich nur noch raus, raus in die Natur, raus und weg von all dem Stress. Zurück nach Grönland!
Durch die Eindrücke, die ich während und durch die Reise gewonnen habe, kommt man über vieles zum Grübeln und Hinterfragen, das ist bei mir zumindest noch nicht abgeschlossen. Nur eins steht fest, das war nicht die letzte Reise einsam in der weite der Natur. Leider findet man diese Weite und Einsamkeit in Deutschland geprägt durch die Kulturlandschaft nicht.
Wir werden sehen wohin es mich als nächstes treibt.